Autistic Pride Day
Geschrieben von Colin
Samstag, 18 März 2006
http://autismus-kultur.de/autismus/autistic-pride/autistic-pride-day.html
Gedanken zur Idee von Autistic Pride und Autistic Pride Day, was das bedeutet und warum es notwendig ist.
“It’s my world that I want to have a little pride in…”1
Dieses Lied wurde zu einer der Hymnen der Schwulen- und Lesbenbewegung. “Gay Pride” oder “Queer Pride” – das war nicht immer selbstverständlich und ist es auch heute noch nicht immer. Es ist noch nicht allzu lange her, dass Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit klassifiziert wurde. Damals versuchten MedizinerInnen, Schwule durch Hormontherapien zu “heilen”. Erst die Lesben- und Schwulenbewegung vermochte dieses Denken zu ändern. Heute sucht die Medizin nach einem Weg, Autismus zu “heilen”. Vielleicht ist die Autismus-Bewegung heute so weit wie die Schwulen- und Lesbenbewegung in den 60er Jahren (demnach liegt eine aufregende Zeit vor uns).
It’s my world
That I want to have a little pride in
My World
Is not a world a have to hide in 1
Was ist Autistic Pride?
Wörtlich übersetzt heißt das »Stolz«, doch diese Übersetzung funktioniert meiner Meinung nach nicht. »Stolz« auf das zu sein, was man ist, heißt meistens, dass man sich als etwas Besseres als die anderen fühlt (»stolz, Deutscher zu sein«). »Pride« hat einen anderen Hintergrund: Das Wort wird von marginalisierten Gruppen verwendet – z.B. »Gay Pride«, »Black Pride«, “Deaf Pride” – die sich dadurch erst ein Selbstbewusstsein schaffen. »Pride« bedeutet »ich finde es okay, so zu sein, wie ich bin. Ich finde es gut, schwul zu sein oder autistisch.« Nicht besser als irgendjemand anderes, aber genauso gut.
Therapien versuchen meistens, Autist_innen beizubringen, sich »normal« zu verhalten. Ich habe nichts gegen Therapien, die Krankheiten heilen (z.B. Krebstherapien) und ich habe nichts dagegen, wenn Menschen anderen Menschen auf deren Wunsch hin helfen, besser in ihrem Leben zurechtzukommen oder selbstgesteckte Ziele zu erreichen. Aber ich habe etwas dagegen, Autismus als Krankheit (und damit meine Persönlichkeit als krank) zu bewerten oder Normalität als Wert und Ziel an sich zu sehen. Statt Therapien sollte es lieber selbstbestimmte Bildungsangebote und barrierefreie Räume geben: Ein_e Autist_in entscheidet, was er_sie lernen will und wenn erwünscht, hilft ihm jemand dabei. Viele Autist_innen wünschen sich keine »Heilung«, sondern Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Sichtweisen gleichberechtigt und barrierefrei in die Gesellschaft einzubringen ud so akzeptiert und respektiert zu werden, wie sie sind. Ich sehe es auch, dass das Leben etwas schwieriger ist, wenn man in einer NT-dominierten Gesellschaft autistisch ist. Aber wäre ich das nicht, wäre ich nicht mehr ich selbst. Die in der Medizin vorherrschende Meinung ist, das jedes Gehirn gleich sein sollte. Ist ein Gehirn deutlich abweichend von der gesetzten Norm, wird es schnell als Störung klassifiziert. Warum eigenlich? Was wäre, wenn wir statt dessen sagen, es ist Teil neurologischer Vielfalt? Das Konzept von neurologischer Vielfalt (neurodiversity) basiert auf dem Respekt gegenüber allen Menschen ungeachtet ihrer Gehirnstrukturen. Gleichwertigkeit der Unterschiedlichkeit.
I am what I am
I don’t want praise I don’t
want pity
I bang my own drum
Some think it’s noise I think
it’s pretty
And so what if I love each
sparkle and each bangle
Why not try to see things from
a different angle 1
»Aber Autist_innen sind doch behindert…« Manche Menschen scheinen das für ein schlagendes Argument zu halten, um darüber bestimmen zu dürfen, wie Autist_innen sich verhalten dürfen und wie nicht. Behinderung ist eine soziale und kulturelle Kategorie, die dazu dient, Menschen auszugrenzen. Nichts weiter. Wenn wir diese Trennung zwischen behindert und nicht-behindert nicht machen würden, wären wir einfach Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Menschliche Vielfalt.
I am what I am
I am my own special creation
I am what I am
And what I am needs no excuses 1
Der Autistic Pride Day
2005 fand der Autistic Pride Day zum ersten Mal statt – am 18. Juni fanden unter dem Motto “Acceptance not Cure” einige Aktionen rund um die Welt. In Brasilia, der Hauptstadt Brasilien wurden Flugblätter über Autismus an mehrere tausend Menschen verteilt, die Zeitungen berichteten, in London und Göteburg veranstalteten Menschen auf dem autistischen Spektrum Pickicks, und weltweit feierten sie in Chats und Internetforen. Der Autistic Pride Day soll von jetzt an jährlich stattfinden, und 2006 sollen es noch mehr Aktionen werden. Das internationale Motto für 2006 ist “Celebrate Neurodiversity”, “Feiert neurologische Vielfalt”. Also lasst uns feiern!
I am, I am, I am good
I am, I am, I am strong
I am, I am, I am worthy
I am, I am, I belong
I am, I am, I am useful
I am, I am, I am true
I am, I am somebody
I am as good as you
yes I am 1
1 Zitate aus “I am what I am”.
Dieser Song von Jerry Herman ist aus dem Musical “La cage aux folles”, das 1983 in New York uraufgeführt wurde. Er wurde von der Schwulen-Ikone Shirley Bassey aufgenommen und später machte Gloria Gaynor eine Disco-Version davon.